Zwischen gestern und heute

Einst im August

 
1. August 1965 – Der letzte seines Standes

Leuchturm Westerheversand, © 1997 Juergen KullmannIm Alter von 29 Jahren tritt Heinrich Geertsen, der letzte Leuchtturmwärter von Westerheversand, sein Amt an und zieht mit seiner Familie in die Dienstwohnung unterhalb des Turms. Nachdem die Möbel per Treckergespann zur Warft transportiert und mit Helfern in die Wohnung gehievt sind, watet Ehefrau Traute mit dem sechs Wochen alten Sohn im Kinderwagen durch das Watt. Auf dem Vorland ist wieder einmal Land unter.

“Langweilig war es nie”, stellt Heinrich Geertsen in einem Bericht des Hamburger Abendblattes aus dem Jahr 2007 fest. Fischfang gab es vor der Haustür, und im Garten auf der Warft wurden Kartoffeln und Gemüse angebaut. Seine Eltern – schon sein Vater war hier Leuchtturmwärter gewesen – hatten noch Kühe, Schafe und Schweine gehalten, doch damit war nach schlimmen Sturmfluten Schluss. Im Jahr 1979 wurde der Betrieb des Leuchtturms automatisiert; die Leuchtturmwärter hatten ausgedient.

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10. August 1967 – Ein Atommülllager in Eiderstedt?

Das schleswig-holsteinische Landeskabinett unter Ministerpräsident Helmut Lemke genehmigt mit Zustimmung des Landrats von Eiderstedt und Bürgermeisters der Gemeinde Oldenswort Probebohrungen zur Errichtung eines Endlagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in einer Salzkaverne bei Oldenswort. Im Sitzungsprotokoll vom 10. August wird festgehalten, dass die Bürger erst nach dem Vorliegen der Probebohrungen mit ‘großer Vorsicht’ zu unterrichten seien. In einer Aktennotiz vom November wird darüber hinaus festgehalten, dass der Ankauf des gemeindeeigenen Grundstücks nicht durch die Gesellschaft für Strahlenschutz, sondern durch die Landesaufbaukasse erfolgen soll, “damit die Bürger nicht zu falschen Schlüssen kommen”.

Bei der Beratung über den Verkauf von 3,6 ha Gemeindeland zu einem für eine Ackerfläche völlig überhöhten Preis ging dann einigen im Gemeinderat ein Licht auf und die Oldensworter gingen auf die Barrikaden. Als dann der Kreis Eiderstedt auch noch eine Brücke über die Eider forderte, wurde dies der Landesregierung zu teuer, das Projekt fallengelassen und stattdessen das Forschungsbergwerk Asse in Niedersachsen ausgebaut.

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20. August 2005 – Landverbindung unerwünscht

An einen verspäteten Aprilscherz glaubten die Amrumer, Hooger und Pellwormer, als sie vom Beschluss der Stadtvertretung von Wyk auf Föhr hörten, die Möglichkeit eines Dammbaus zwischen Föhr und Amrum sowie Pellworm und der Hallig Hooge zu prüfen. Der unrentable Fährverkehr nach Amrum bzw. Hooge könne dann eingestellt werden, war eines der Argumente.

Der Protest blieb nicht aus. So befürchten die Amrumer ein Ausbluten ihrer Insel: Wenn die Wyker einen Damm bauen wollen, so hört man von dort, sollen sie doch einen zum Festland bauen; über Föhr rollen keine Autos nach Amrum! Für eine vernünftige Schiffsanbindung der Halligen müsse man kämpfen, alles andere sei Wunschdenken. Doch einen Damm zum Festland wollen wiederum die Wyker nicht, der wäre vermutlich das Ende der Wyker Dampfschiffs-Reederei.

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22. August 1877 – Inbetriebnahme der Bahnverbindung Heide-Karolinenkoog

Färe Tönning-KarolinenkoogMit der Eröffnung der Bahnstrecke von Heide nach Karolinenkoog ist erstmals der Landesteil Schleswig von Hamburg aus per Bahn erreichbar, denn ab Karolinenkoog verkehrt, siehe die Abbildung links, eine Dampffähre über die Eider nach Tönning, wo die Reisenden wieder in die Eisenbahn einsteigen und ihre Fahrt nach Husum und Flensburg fortsetzten können.

Vom 1. Juni 1886 an fuhren die Züge dann bis unmittelbar an die Landungsbrücke der Fähre, doch kurz darauf ging die Bedeutung der Strecke bereits zurück, denn im Folgejahr wurde die Marschenbahn von Heide über eine Brücke bei Friedrichstadt bis Husum fortgesetzt, so dass den Reisenden in den Norden der Umstieg auf die Fähre erspart blieb, an der es im Winter öfter zu Wartezeiten wegen Eisgang kam.

Am 20. Januar 1940 fuhr der letzte Zug auf die Karolinenkooger Landungsbrücke, die am Tag darauf durch einen Bombentreffer zerstört wurde. Über den ersten Teil der ehemaligen Bahnlinie Heide-Karolinenkoog verläuft heute die Strecke Heide-Büsum, der Rest der Trasse existiert nicht mehr.

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24. August 1987 – Deutschlands erster Windpark

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel schaltet im Kaiser-Wilhelm-Koog in Dithmarschen den ersten deutschen Windenergie-Park ans Netz. Zwei Millionen Kilowatt Strom sollen hier pro Jahr erzeugt werden.

Die dreißig gerade einmal kirchturmhohen Anlagen waren mit ihren sechs bis sieben Meter langen Flügeln die Keimzelle der deutschen Windparks. Aus heutiger Sicht waren es jedoch Winzlinge, und so haben sie längst ausgedient und fünf Nachfolgern mit bis zu 35 Meter langen Flügeln Platz machen müssen.

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26. August 1841 – Herr Hoffmann schreibt ein Trinklied

Helgoland, 26. August. Bis in die frühen Morgenstunden hatte Heinrich August Hoffmann auf der Insel Helgoland mit Freunden gezecht; es wurde gesoffen und gesungen, gelacht und gelallt, ein Hoch auf Wein, Weib und Gesang.* Noch ganz euphorisch von dem schönen Abend macht er sich ans Werk und verfasst mit

… Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten schönen Klang,

ein kleines Trinklied, nennt es ‘Das Lied der Deutschen’. Beim letzten Vers schwankt er ein wenig,

Blüh im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vaterland!

bringt er zu Papier, doch dann notiert er sich dazu mit

Stoßet an und ruft einstimmig:
Hoch das deutsche Vaterland!

noch eine alternative Zeile. Ob sich Heinrich August Hoffmann aus dem Weiler Fallersleben je hat träumen lassen, dass sein kleines Trinkliedchen in späteren Tagen als Nationalhymne gesungen wird? Als deutsch-nationaler Dichter des Vormärz dürfte es ihm gefallen, doch hat er sicherlich nichts dagegen, wenn dazu jemand schunkelt.

* Husumer Nachrichten, 27. August 2016

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29. August 2016 – Der Todestag von Wilhelm Andresen

Denn steiht vör mi op eenmol still
de Tied un ok de Wind;
un allens ward, as He dat will,
un nich, as ik dat find.

Andresens Schankwirtschaft, © 1998 Juergen Kullmannlesen wir auf der Todesanzeige von ‘Opa Eiergrog’. Weit über die Grenzen der Halbinsel Eiderstedt hinaus war Wilhelm Andresen, der Wirt der gleichnamigen Schankwirtschaft in Katingsiel, als solcher bekannt. Das Familienrezept zu seinem berühmten Getränk, aus dem er kein Geheimnis machte, sondern in ‘Eiergrog-Seminaren’ weitervermittelte, stammte noch von seiner Mutter, die als ‘Blonde Kathrein’ das Zepter 64 Jahre lang das fest in der Hand gehalten hatte, bis sie es Ende der 1980er Jahre mit schwindendem Augenlicht an ihren Sohn Wilhelm weitergab, der bis dato sein Geld als Kapitän der Landstraße verdient hatte.

Wilhelm Andresen (1931-2016), © 2016 Friedbert HanischBei ihm wurde jeder geduzt, und wenn ihm mal etwas nicht passte – eine Jacke über die Stuhllehne zu hängen, war zum Beispiel streng verboten – konnte er schon einmal sehr direkt, um nicht zu sagen ‘en beten fuchtig’ werden. Doch war es eben seine mit menschlicher Wärme verbundene Gradlinigkeit, die viele an ihm schätzten. Geboren am 7. November 1931 legte er sich am 29. August 2016 zur endgültigen Ruhe.

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Ende August 1846 – Ochsen für London

Nachdem England mit Rücksicht auf den Nahrungsbedarf seiner mit der Industrialisierung steigenden Bevölkerung die Einfuhrzölle auf Vieh aufgehoben hat, legt Ende August 1846 mit der Loch Ryan erstmals ein englischer Viehdampfer in Tönning an und nimmt eine Ladung von hundert Ochsen auf. Doch das Schiff havariert kurz nach der Abfahrt, muss umkehren und die Ladung wieder löschen. Nach der Reparatur läuft der Dampfer Anfang September erneut aus und bringt seine Ladung nach dreitägiger Fahrt bei einem Verlust von zwei Tieren ans Ziel.

Weitere Transporte mit anderen Schiffen folgten, so dass der Export im ersten Jahr bereits 1.000 Stück Rindvieh betrug. 1847 begann dann die Ausfuhr von Schafen, als Beiladung wurden Gerste, Raps, Butter und in beträchtlichen Mengen Käse mitversandt. Auch wenn Husum und andere schleswig-holsteinische Hafenstädte folgten, ging der Hauptexport in der Folgejahren von Tönning aus. Mitte der 1870er Jahre wurden jährlich bis zu 49.000 Rinder und 60.000 Schafe nach England exportiert.

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Einst im August – Nachrichten von der Westküste, letzte Ergänzung: 29.08.17