Zwischen gestern und heute

Einst im April

 
1. April 1854 – Die Eisenbahn erreicht Nordfriesland

Nach zwei Jahren Bauzeit wird unter der Herrschaft König Frederiks VII. von Dänemark mit der Strecke Tönning – Husum – Flensburg die erste Nordfriesland berührende Eisenbahnlinie provisorisch in Betrieb genommen, die offizielle Eröffnung erfolgt nach Fertigstellung des Flensburger Bahnhofs am 24. Oktober des gleichen Jahres durch den König. Ein wesentlicher Grund für den Bau der Linie von Flensburg an der Ostsee nach Tönning an der Mündung der Eider in die Nordsee war der Export von lebendem Vieh nach England sowie der Import von Kohle aus England.

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13. April 1956: Der Todestag Emil Noldes

“Und wie sollte dieser Garten sein? Wir machten Risse, die nichts wurden. Dann aber zeichnete ich zwei Buchstaben hin, A und E, mit einem kleinen Wasser wie ein Schmuck dazwischen, die Buchstabe verbindend. …”

BuchcoverA und E, Ada und Emil Nolde. Am 13. April 1956 starb dieser große Einzelgänger des Expressionismus, wie er oft genannt wird, neuneinhalb Jahre nach seiner Frau Ada im Alter von 88 Jahren in Seebüll, mit Blick auf den Garten, in dem er seine letzte Ruhe fand. 1927 hatte er mit dem Bau des von ihm entworfenen Atelierhauses auf einer Warft begonnen, die er ein Jahr zuvor erworben hatte. “Denken kann ich nur noch langsam”, klagte er wenige Monate vor seinem Tod, doch malte er bis in seine letzten Tage, Aquarelle, seit er nach einem Armbruch keine Ölbilder mehr malen konnte. Ein gemeinsames Testament verfügte die Gründung der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde. Der Garten und große Teile seiner Bepflanzung zeigen sich den Besuchern noch heute wie zu Lebzeiten von Ada und Emil Nolde.

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16. April 1844 – Die letzte Hinrichtung in Eiderstedt

Am 25. Oktober 1841 stieg der 1815 in Witzwort als Sohn armer Leute geborene Carsten Hinz in ein abgelegenes Haus bei Oldenswort ein, in dem große Beute zu machen hoffte, jedoch vom Eigentümer überrascht ihn mit einem Beil tötete und ein Dienstmädchen schwer verletzte. Kurz zuvor war er aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er wegen des Diebstahls von zwei Paar Stiefel eingesessen und den Tipp für den Einbruch bekommen hatte. Schnell fiel der Verdacht auf ihn und man nahm ihn fest.

Nach mehr als einem Jahr Leugnen gelang es dem Tönninger Pastor Gustav Schumacher ihn zu einem reuigen Geständnis zu bewegen und zum christlichen Glauben zu bekehren. Im Oktober des Jahres 1843 fand dann im Landschaftlichen Haus zu Tönning der Mordprozess statt. Das ursprüngliche Urteil Tod durch Rädern wurde vom dänischen König in Tod durch Enthauptung mit dem Beil abgemildert und der Mörder am 16. April 1844 vor tausend Schaulustigen auf dem Robbenberg hingerichtet.

Es war die letzte Hinrichtung in Eiderstedt nach Eiderstedter Recht. Für Pastor Gustav Schumacher war Carsten Hinz, den er in seinen letzten Monaten als Seelsorger betreut hatte, nicht nur ein Mörder, sondern auch ein Opfer des Gesellschaftssystems. Kurz nach der Hinrichtung veröffentlichte er unter dem Titel Das Leben, das Verbrechen und die Bekehrung des Mörders Carsten Hinz, von ihm selber aufrichtig erzählt ein Buch, in dem dieser aus seiner Todeszelle in Tönning heraus seine Lebensgeschichte und den Mord von Oldenswort schildert, nachzulesen hier im Projekt Gutenberg.

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18. April 1864 – Die Erstürmung der Düppeler Schanzen

Bei den Düppeler Schanzen, einer Befestigungsanlage oberhalb von Sønderborg an der Flensburger Förde, kommt es zur entscheidenden Schlacht im Krieg um Schleswig-Holstein zwischen Preußen und Österreich auf der einen und Dänemark auf der anderen Seite. Der Erstürmung der zehn Schanzen durch preußische Truppen war eine mehrwöchige Belagerung vorausgegangen. Nach ihrer Einnahme drangen sie bis an den Alensund vor.

Was solche historisch genannten Schlachten für den Einzelnen bedeuten, beschreibt ein Gedicht von Klaus Groth aus jenen Jahren:

De junge Wetfru Die junge Witwe
Wenn abends roth de Wulken treckt,
so denk ik och an di!
So trock voerbi dat ganze Heer,
un du werst mit darbi.
Wenn abends rot die Wolken ziehn,
so denk ich auch an dich.
So zog vorbei das ganze Heer,
und du warst mit dabei.
Wenn ut de Böm de Blaeder fallt,
so denk ik glik an di:
So full so männi brawe Jung,
un du weerst mit darbi.
Wenn von den Bäumen Blätter fall’n,
so denk ich gleich an dich.
So fielen viele brave Jungs,
und du warst mit dabei.
Denn sett ik mi so truri hin
un denk so vel an di.
Ik et alleen min Abendbrot —
un du büst nich darbi.
Dann setz ich mich so traurig hin,
und denk so viel an dich.
Ich ess allein mein Abendbrot,
und du bist nicht dabei.

Nach zweimaligen Friedensverhandlungen endete der Krieg im Oktober des gleichen Jahres mit dem Frieden von Wien, in dem sich Preußen die Herzogtümer Sachsen-Lauenburg und Schleswig einverleibte, während Holstein an Österreich fiel. Zwei Jahre später annektierte Preußen Holstein und formte 1867 aus allen drei Gebieten die preußische Provinz Schleswig-Holstein.

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24. April 1819 – Der Geburtstag von Klaus Groth

Im Haus Lüttenheid No. 48 wird in Heide der niederdeutsche Dichter Klaus Groth geboren. Nach einer Lehre als Schreiber beim Kirchspielvogt besuchte er das Lehrerseminar in Tønder und wirkte ab 1842 als Lehrer in seiner Geburtstadt Heide und auf Fehmarn. 1848 erschienen seine ersten Gedichte, 1852 der erste Band seiner Sammlung Quickborn (Lebendiger Brunnen) mit Liedern, Balladen und Erzählungen aus seiner Heimat. 1853 zog er nach Kiel, arbeitete mit Professor Karl Müllenhoff an der Erstellung einer plattdeutschen Grammatik und Orthographie und wurde 1866 zum Professor für Deutsche Sprache und Literatur ernannt. Vier Monate vor seinem Tod am 1. Juni 1899 ernannten ihn die Städte Heide und Kiel anlässlich seines 80sten Geburtstages zu ihrem Ehrenbürger.

Seine lebenslange Verbundenheit zu seiner Heimat drückt sich vielleicht am besten in dem folgenden seiner Gedichte aus (rechts eine inhaltliche Übersetzung):

Mien Vaderland Mein Vaterland
Dar ligt in’t Noorn en Ländeken deep,
     en Ländeken deep,
Un eensam liggt de Strand.
Dar blenkt de See, dar blenkert de Scheep,
     dar blenkert de Scheep,
Dat is mien Vaderland.
Da liegt im Norden ein Ländchen versteckt,
     ein Ländchen versteckt,
Und einsam liegt vor mir der Strand.
Da glänzt die See, da glänzen die Schiffe,
     da glänzen die Schiffe,
Das ist mein Vaterland.
Ik seeg an Heben Wulken so blank,
     de Wulken so blank,
se kaamt ut’t blaue Haff,
Un öwer dat Ländeken trocken se lang,
     dar trocken se lang,
Un Regen druus heraf.
Ich sah am Himmel Wolken so weiß,
     die Wolken so weiß,
Sie kamen vom blauen Haff,
Und übers Ländchen zogen sie lang
     da zogen sie lang,
Und Regen rieselt herab.
Nu blenkt wull de Dau op Wischen un Holt,
   op Wischen un Holt,
Un dufti steiht de Saat,
Un du liggst still, du Ländeken stolt,
   du Ländeken stolt,
In al dien Pracht un Staat.
Nun glänzt der Tau auf Gras und Gebüsch,
     auf Gras und Gebüsch,
Und duftend steht die Saat,
Und du liegst still, du Ländchen so stolz,
     du Ländchen so stolz,
In all deinem Staat und deiner Pracht.
Schien nich de Fleier as Gold op’n Toorn,
   as Gold op’n Toorn,
Wenn avends de Beedklock summ?
Un öwer dat Feld blöh Hecken un Doorn,
   de Hecken un Doorn
Un de Marsch war wied un stumm.
Glänzte der Hahn nicht wie Gold auf dem Turm,
     nicht wie Gold auf dem Turm,
Wenn abends die Betglocke klang?
Und über dem Feld blühten Hecken und Dorn’,
     blühten Hecken und Dorn’,
Und die Marsch lag weit und stumm.
Denn glänz as Sülwer unendli dat Meer,
   unendli dat Meer,
Un flö un ebb heraf;
Un klingt dat deep as Klocken darher:
   As Klocken darher:
Höör to! Denn bruust dat Haff —
Dann glänzt wie Silber unendlich das Meer,
     unendlich das Meer,
Und flutet und ebbt herab;
Und tief klingt es wie aus Glocken daher:
     wie aus Glocken daher:
Hör zu! Dann braust das Haff —
Blendt de Wulken so, nu dat dämmri ward?
   nu dat dämmri ward?
Weer dat dat Haff, wat klung?
Och ne, den Toon in mien egen Hart,
   in mien egen Hart
Hett liesen de Wehmot sung’n.
Blendeten die Wolken so, da es dämmrig wurde?
     da es dämmrig wurde?
War es das Haff, das klang?
Ach nein, den Ton in meinem eigen Herzen,
     in meinem eigen Herzen,
Hat die Wehmut singen lassen.

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26. April 1970 – Auflösung des Kreises Eiderstedt und Gründung des Kreises Nordfriesland

Die drei Kreise Eiderstedt, Husum und Südtondern (bis auf sechs Gemeinden) sowie drei Gemeinden des vormaligen Kreises Schleswig werden zum neuen Kreis Nordfriesland mit Sitz in Husum vereinigt.

Kreis Eiderstedt, © 2009 Juergen KullmannDamit wird der Kreis Eiderstedt drei Jahre nach seinem 100jährigem Bestehen aufgelöst; nur neun Jahre zuvor war in Tönning noch ein neues Kreishaus gebaut worden. Mit zuletzt 19.900 Einwohner war Eiderstedt, nachdem die Bevölkerungszahl in den Jahren nach den zweiten Weltkrieg durch den Zustrom von Flüchtlingen mit 26.500 ihren höchsten Stand erreicht hatte, der kleinste Landkreis Deutschlands. Im Vorfeld der Kreisreform hatten der Kreistag und der Stadtrat von Tönning mehrheitlich für einen Anschluss an den Kreis Dithmarschen gestimmt, doch der schleswig-holsteinische Landtag entschied anders und ordnete Eiderstedt dem neuen Kreises Nordfriesland mit Sitz in Husum zu. Das ehemalige Tönninger Kreishaus wurde zum Sitz der Nationalparkverwaltung schleswig-holsteinisches Wattenmeer.

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Einst im April – Nachrichten von der Westküste, letzte Ergänzung: 04.02.16