Weiße Weihnacht

Jahreswechsel 2010 / 2011

 

Dienstag, 21. Dezember 2010

Der Kirchturm von Tönning ist in der Ferne bereits zu sehen, da geraten wir in eine Nebelwand. Nur im Schritttempo geht es weiter, hoffentlich fährt uns keiner auf. Wo ist hier eigentlich die Straße? Schon ohne Nebel waren die Fahrbahnränder im Schnee kaum auszumachen. Zwei grelle Lichtpunkte kommen uns entgegen und schleichen links an uns vorbei.

Dann sind wir aus der Nebelbank heraus. Rechterhand taucht der Vollmond aus den Wolkenschleiern auf und erhellt die weißen Felder Dithmarschens; eine kleine weiße Scheibe weit oben am Himmel, nicht mehr der riesige Buttermilchmond, der sich zwischen Bremen und Hamburg über dem Horizont erhob.

Doch schon umhüllt uns die nächste Nebelbank und die Umgebung löst sich auf. Die Sichtweite liegt bei gefühlten zehn Metern. Nach einem halben Kilometer tauchen wir aus dem Dithmarscher Dunstkreis auf und fahren bei klarer Sicht über die Eider. Wir sind in Nordfriesland

Tönnings Straßen liegen unter einer geschlossenen, teils festgefahrenen Schneedecke. Jetzt nur nicht in den Hafen rutschen! Die Kutter sind zwar vom Eis eingeschlossen, doch es ist kaum anzunehmen, dass die Eisschicht ein hineinschlidderndes Auto hält. Man sieht nur wenige eingeschneit parkende Autos. Die Weihnachtsurlauber kommen wohl erst noch.

Langsam kurven wir um den Hafen und biegen durch die Stöpe in die Deichstraße ein. Mal gespannt, wie unsere Einfahrt aussieht; wahrscheinlich müssen wir sie erst freischaufeln. Pustekuchen, sie ist geräumt, und der Hof bis zur Tür auch. Da hat unser Winterdienst ganze Arbeit geleistet, mehr als im Vertrag steht!

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Mittwoch, 22. Dezember 2010

Die Liebste hat Brötchen geholt, und wir sitzen am Frühstückstisch und überlegen, was heute zu tun ist.

Gestern Abend hatte mien Deern einen Sprung in der Glasscheibe unseres Kaminofens entdeckt. Also lautet der Beschluss, gleich nach dem Frühstück Herrn Hans-Jürgen Marquard aufzusuchen, vor dessen Laden (Kamine – Kachelöfen – Fliesen) in Gardings Fischerstraße wir auf dem Weg zu Kerlins Kupferpfanne schon oft innegehalten hatten. Doch vielleicht sollte man die defekte Scheibe, mit vier Halteblechen und acht Schrauben in der Ofentür befestigt, herausnehmen und mitnehmen.

Ich versuche sacht die erste Schraube zu lösen … klack, und schon bricht sie ab. Wir sehen uns den vor vier Jahren mit dem Haus übernommenen Ofen etwas genauer an: ein billiges Baumarktmodell, die innere Auskleidung an einigen Stellen schon etwas ‘bröckelig’. Ist es da nicht besser, sich etwas solides Neues zulegen?

Wir stellen das Auto auf dem Edeka-Parkplatz links der Bundesstraße ab und stapfen über sie hinweg durch den Schnee die schmale Fischerstraße hoch, an deren Ende sich auf einer Warft der Kirchturm erhebt. Der Laden ist geöffnet, die Glocke scheppert, doch es dauert eine Weile, bis Frau Marquard erscheint. Uns mit aller Gewalt einen neuen Ofen einreden will sie nicht, das erweckt Vertrauen. Mit dem beschriebenen Sprung in der Scheibe könne er durchaus weiterbetrieben werden, meint sie, und eine Ersatzscheibe sei, sofern es sich um eine flache handelt, problemlos zu besorgen. Wenn allerdings beim Ausbau die Befestigungsschrauben abbrechen, sei die Sache etwas aufwändiger, das müsse sich ihr Mann vorab etwas genauer ansehen. Ob wir nicht die Tür ausbauen und vorbeibringen könnten?

Doch innerlich haben wir uns bereits für einen neuen Kaminofen entschieden. Die beiden hier im Laden passen von der Art her nicht zu uns Huus. Ihr Mann habe noch einen weiteren, soeben erst angelieferten in seinem Außenlager, sagt sie, blättert in einem Katalog und findet ein Foto. So ganz überzeugt sind wir nicht, doch die Maße würden passen. Die meisten modernen Öfen sind schmaler als unser alter und dabei höher als die Kacheln dahinter, was zum einen nicht gut aussieht und zum anderen einen größeren Abstand zur Wand erfordert. Wir verabreden, dass ihr Mann – momentan auf einer Baustelle – den Ofen heute Abend oder morgen heranschafft und wir ihn dann im Laden in Augenschein nehmen können.

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Zu Mittag gibt es Bratkartoffeln mit sauerer Sülze. Letztere stammt von Edeka Pioch in Garding, der, nachdem er sich vor wenigen Jahren von einem Kleinstadt-Edeka zu einem Luxus-Edel-Weltstadt-Edeka aufgeplustert hatte, nun wieder zum Kleinstadt-Edeka geschrumpft ist. Das Konzept ging wohl nicht auf, und der nach dem Umzug in das neue Gebäude in dem alten eingerichtete edle Haushaltswarenladen steht leer.

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Tönning Süderstraße, © 2010 Jürgen KullmannNach dem Essen blättert mien Deern in mitgebrachten Kaminofen-Katalogen. Wir messen die Ofenecke aus und überlegen, was mit Rücksicht auf die Maße vom Stil her sonst noch passen würde. Wir brauchen einen, der eher etwas breiter ist und dafür nicht ganz so hoch. Das wird schwer. So machen wir erst einmal einen Rundgang durchs grau verschneite Tönning. Boye Hamkens am Markt hat keine schönen Weihnachtskarten mehr (wir brauchen noch zwei), und die Vorstellung der Tönner Speeldeel am 28., es ist die dritte und letzte, ist bereits ausverkauft. Schade! Dreihundert Menschen passen in die Stadthalle, das heißt von den knapp 5.000 Tönningern waren in diesem Monat 900 in ihrem Theater. Das sind 18 Prozent der Bevölkerung, darauf muss der Intendant eines Großstadttheaters erst einmal kommen!

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Mittwoch, 23. Dezember 2010

Kannst du vielleicht den Schnee ums Haus etwas wegräumen?” Mien Deern kommt nicht nur mit den Bäckerbrötchen zurück, sondern auch mit einem Schneeschieber, ausgeliehen von einem Nachbarn, der seine eigene Schneeschieberei gerade beendet hat. Der Versuch, selbst eine Schneeschaufel zu erstehen, war gestern sowohl bei Basti in Tönning als auch im Baumarkt von Garding kläglich gescheitert. Die nächsten Lieferungen werden im Oktober 2011 erwartet …

Tönning, Ecke Deichstraße / Süderstraße, © 2010 Jürgen KullmannSchneeräumen? Wenn es denn sein muss, aber wohin damit? Dreißig Zentimeter Neuschnee sind über Nacht gefallen, und im Garten ist der weiße Wall neben dem Weg zur Tür bereits anderthalb Meter hoch. So wird er noch etwas höher. Den Schnee von der Einfahrt schaufele ich auf zwei Zuckerhüte rechts und links von ihr. Der Rest wird gleichmäßig auf der vermuteten Straßenmitte verteilt, und der vom Bürgersteig bildet nach einer Stunde ein achtzig Zentimeter hohes Bollwerk am Straßenrand. Selten hat man sich sein Frühstück so hart erarbeitet. Anschließend geht es zum Weihnachtseinkauf in den Sky Markt — — — doch vorab gibt es noch etwas anderes zu tun, denn während wir frühstückten fuhr ein Schneepflug durch die Straße und schob die Einfahrt wieder zu. Wo ist die Schneeschippe?

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Nach dem Mittagessen – Mirakuli mit ein paar Extragewürzen aufgepeppt – schaut Herr W. vorbei, um das aus Dortmund mitgebrachte Material für die Badezimmerreparatur zu begutachten. Bei unserer Abreise Ende Oktober wackelte die Hängetoilette an der Wand, und nach eingehender Analyse hatte er mit seinem Sachverstand als Mauer (gut, wenn man einen solchen in der Nachbarschaft hat) festgestellt, dass der geflieste Sockel mit dem Wasserkasten dahinter nicht ganz fachmännisch konstruiert ist und sinnvollerweise nach den Regeln der Handwerkskunst neu hochgezogen werden sollte. Das nach seinen Angaben besorgte Material wird für gut befunden, am Montagmorgen will er loslegen. Bei den Fliesen für die Spülkastenverkleidung hätten wir uns aber recht teure ausgesucht, meint er, auf 25 Euro würde er den Quadratmeterpreis schon veranschlagen. Dass sie ‘recht teuer’ waren, geben wir zu, nicht jedoch, dass er sich um den Faktor Vier verschätzt hat.

Später klopft auch Frau W. an unsere Tür, und wir rechnen die Hauswartung für das letzte Vierteljahr ab. Am Abend steht neue Truhe auf Nis Puks Empore über dem Apartment, und nach einigen technischen Problemen gelingt es uns auch, sie mit ihrem Deckel zu vereinen. Zuvor kamen die Scheibengardinen leicht verkürzt aus der Waschmaschine, wurden – so gut es ging – auf ihre frühere Breite gestreckt und sind jetzt wieder weiß.

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Freitag, 24. Dezember 2010

Wir sind schon im Aufbruch begriffen, da kommt Frau W. mit ihren Lütten und einem Weihnachtsgruß in Form einer Flasche Wein vorbei. Nach einem kleinen Schnack starten wir gen St. Peter-Ording.

Eiderstedt im Schnee, © 2010 Jürgen KullmannMehr als Tempo 30 ist nicht drin, denn unter dem Schnee lässt sich die Fahrspur mitunter nur erahnen. Bei Katharinenherd hat sich eine Krähenschar in einer Längsreihe dort niedergelassen, wo wir den Straßenrand vermuten. Von den Pukken bestellte Krähentaxis? Doch das nächste Anwesen liegt mehrere hundert Meter weit entfernt. Aus den Büchern unserer Hausbibliothek haben wir eine Menge über diese nordfriesischen Hausgeister gelernt, so auch über ihre Reisen auf den Rücken von Vögeln. Sollte ein hiesiger Nis Puk auf eine Hallig wollen, muss er wohl in Schlüttsiel umsteigen, denn nach dem Studium von Frau Köster-Lösches Erzählung Stille Nacht, eisige Nacht gehen wir davon aus, dass es dort einen Verkehrsverbund mit den Ringelgänsen gibt, die das Monopol für den Transfer zu den Halligen haben.

Gruppenreisende, © 2008 Juergen KullmannWir passieren Garding. Halt, da fällt uns noch etwas ein! Am Abzweig der Straße nach Welt gibt es einen Laden für ‘Schafswollteppiche’. Bei dem Kleinen Volk in uns Huus darf man den Begriff ‘Schaffell’ natürlich nicht verwenden, und Nis Puk ist gleichfalls Vegetarier. Das Geschäft scheint geöffnet zu sein, stellen wir fest, nachdem wir es bereits passiert haben. Also an der nächsten Tankstelle gewendet und zurück, und wir erstehen für Muttern den größten Schafswollteppich, den der junge Mann zu bieten hat. Da habe sich sein Ausharren ja gelohnt und er Recht behalten, grinst er beim Kassieren der 75 Euro, denn wäre es nach seiner Frau gegangen, hätte er vor einer halben Stunde schließen müssen, weil ihrer Meinung nach kein Mensch mehr kommen würde.

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In St. Peter-Ording ist es frostigkalt. Wir parken am Bahnhof – gerade fährt der Zug nach Tönning ab – und wandern durchs verschneite Wäldchen ‘ins Bad’. Nur wenige Touristen sind unterwegs. Die Buchhandlung ist geöffnet, und wir erwerben für unsere Hausbibliothek ein Buch mit friesischen Weihnachtsgeschichten und zwei Neujahrskarten. Dann raus auf die Seebrücke, doch nicht sehr weit, denn schneidend weht uns der Wind um die Nasen und versucht ihnen Eiszapfen anzuhängen. Also zurück nach Tönning ins warme Huus, wo der Rest der gestrigen Spaghetti-Sauce zu einer Tomatensuppe wird.

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Um 17 Uhr geht es zum Gottesdienst in die St. Laurentius-Kirche. Der weißbärtige Pastor Römer hält auch in diesem Jahr die Predigt, so weit ganz gut, doch nicht gar so tiefsinnig und nachhaltig in der Erinnerung bleibend wie vor zwölf Monaten. Was viel mehr in der Erinnerung bleibt, ist, dass der Autor dieser Notizen – “wieder einmal”, wirft da jemand ein – nach dem Ende des Gottesdienstes seine Handschuhe nicht mehr fand. Wir hatten zuvor wegen der kalten Zugluft die Bankreihe gewechselt, und so klappern wir, nachdem die Kirche sich gelehrt hat, die in Frage kommenden noch einmal ab. Nichts da! Der Küster ist hilfsbereit, hilft beim Suchen, und nimmt uns dann mit in die Sakristei unter dem Kirchturm, wo ich mir unter zwei abgelieferten Handschuhpaaren eines – ich nehme das richtige, auch wenn die anderen schöner sind – aussuchen darf. Dann schliddern wir über die glatten Straßen heim.

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Kein Heiliger Abend ohne Bescherung – und da haben wir sie! Ganz offensichtlich hatte ich gestern beim Einkaufen vergessen, den Lachs, den ich bereits in der Hand hielt, in den Einkaufswagen zu legen. “Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden”, hieß es gerade in der Weihnachtsgeschichte, und so gibt es jetzt keine Vorhaltungen sondern Bio-Bockwurst aus der Dose mit Kartoffelsalat, der, so beschließen wir, der beste Kartoffelsalat ist, den wir je gegessen haben.

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Sonnabend, 25. Dezember 2010

Der Bäcker am Markt hat nur noch an 362 Tagen im Jahr geöffnet, einst waren es 364. Der heutige zählt nicht zu ihnen, also gibt es erstmals keine frischen Brötchen zum Frühstück.

Nach einem Weihnachtsspaziergang entlang der zugefrorenen Eider, auf dem uns der – nomen est omen – weise Nachbar von gegenüber begegnet, machen wir uns daran den Sauerbraten, den wir schon am Dienstag mit viel Rotwein und Balsam(essig) auf sein letztes Stündchen vorbereitet hatten, zuzubereiten. Nie wieder, beschließen wir zwei Stunden später, werden wir einen vom Metzger bereits eingelegten Sauerbraten kaufen, denn den Vergleich mit diesem hält kein vom Metzger präparierter stand! Mit Weinbeeren aus Italien und Pumpernickel aus Westfalen in der Sauce ist er allerdings nicht ganz nordfriesisch, und was den Rosenkohl als Beilage betrifft, hätte der vielleicht aus Dithmarschen kommen können, wurde aber aus Holland herübergeschickt.

Am Nachmittag ruft uns Frau Marquard an. Ihr Mann hat den Kaminofen heute von seinem Außenlager in den Laden expediert, und wir können ihn uns dort morgen am zweiten Weihnachtstag ansehen.

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Sonntag, 26. Dezember 2010

Nach dem Frühstück, das heißt so gegen elf Uhr, brechen wir nach Garding auf. Wir können kommen, wann immer wir wollen, hatte Frau Marquard am Telefon gesagt, denn sie habe heute viel Besuch und sei den ganzen Tag im Haus.

Die Tür des Ladens in der Fischerstraße ist nicht abgeschlossen. Die Glocken scheppern, als wir sie vorsichtig öffnen und die Hausherrin naht – vermutlich aus der Küche, denn ein Bratengeruch kommt uns entgegen. Der Ofen sieht in der Realität viel besser aus als im Prospekt. “Sicherlich kein Anwärter auf einen Designerpreis”, meint mien Deern, aber ein solides Modell einer alteingesessenen Firma aus dem Sauerland. Von den Abmessungen her würde er gut passen, während viele der ‘Designeröfen’ schmal und hoch sind, was sich in unserer breiten Kaminecke nicht gut macht. Wir beschließen, um darüber nachzudenken, einen Deichspaziergang bei Vollerwiek zu machen und anschließend in Kerlins Kupferpfanne essen zu gehen.

Der Himmel hat sich eingegraut, und der helle Fleck über dem nicht weniger grauen Watt wird immer kleiner. Ein schneidender Wind von Nordwest weht uns um die Nasen, genau das richtige Wetter, um über einen neuen Kaminofen nachzudenken – und sich für ihn zu entscheiden. Wir werden ihn nehmen! So stapfen wir den verschneiten Deich hinunter und wandern vorbei an einer langen Reihe von Schafen, die auf dem Feld für irgendetwas anzustehen scheinen, zur Kirche von Vollerwiek, wo wir das Auto geparkt hatten.

Schafe bei Vollerwiek, © 2010 Juergen Kullmann

Zurück in Garding schliddern wir die Fischerstraße hoch, vorbei am Laden der Marquards. Gleich hinter der Tür des nun verschlossenen Eingangs steht ein Kaminofen, den wir jetzt als ‘unseren’ betrachten, auch wenn die Geschäftsinhaber das noch nicht wissen. In Kerlins Kupferpfanne wollen wir die Kaufentscheidung mit leckeren Schwyzer Rösti auf nordfriesische Art feiern, doch wie schon vor 2010 Jahren gibt es keinen Platz in der Herberge. Also fahren wir in unsere eigene Hütte zurück und wärmen den verbliebenen Sauerbraten von gestern auf. Es bleibt immer noch eine Mahlzeit übrig.

Ein Anruf bei Maquards besiegelt dann den Kauf des Kaminofens.

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Montag, 27. Dezember 2010

Die ‘Baustelle unteres Bad’ wird eröffnet: Herr W. kommt. Derweil er klopft und hämmert – hoffentlich bleibt vom Haus noch etwas stehen – fahren wir in den Sky Markt und kaufen Feuerholz. Schwein gehabt, es waren die letzten zwei Säcke und in diesem Jahr wird kein Nachschub mehr erwartet, erzählt uns die Deern an der Kasse.

Uns Huus steht noch, und das Problem im Bad ist lokalisiert: da fehlte irgendwo eine Stütze in dem Sockel, so dass sich die Toilette im Laufe der Jahre in die Wand hineingedrückt hatte und zu Wackeln begann. Das lässt sich beheben. Während sich unser Maurer auf den Weg macht, um für die Neuabdeckung des stabilisierten Sockels eine Feuchtraum-Bauplatte zu besorgen, kochen wir. Es gibt Bratkartoffeln mit Sauerfleisch vom Lamm.

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Dienstag, 28. Dezember 2010

ause auf der ‘Baustelle unteres Bad’. Der Sockel ist neu gefliest, auch schon verfugt, und nun muss erst einmal alles trocknen.

Wir sind auf dem Weg nach Husum. Die Sonne kommt heraus und verwandelt das weiße Einerlei in ein Winterwunderland. Durch die Wiesen und Felder links der B5 fährt ein blauer Triebwagenzug aus der grauen Stadt am grauen Meer gen Tönning – ob sie heute eher weiß ist? Wir stoppen bei Ingwershörn, lassen das Auto auf dem Parkplatz der Freien Tankstelle stehen und machen einen Spaziergang durch eine kleine Allee, über uns glitzerndes Geäst. Nicht weit, nur bis zur Kreuzung des Feldwegs mit der Nord-Ostseebahn. Das Andreaskreuz leuchtet in der Sonne. Rechterhand führt der Schienenstrang an einem bäuerlichen Anwesen vorbei, links verliert er sich zwischen schneebedeckten Feldern. Schade, dass der nächste Zug erst in einer halben Stunde kommt, denkt der Fotograf.

Ingwershörn, © 2010 Juergen Kullmann

So lange hatten wir nicht warten wollen, und so sitzen wir jetzt bei Tante Jenny in Husum und essen zu Mittag. Eigentlich ganz lecker, doch ob der Seeteufel wirklich ein Seeteufel ist? Mien Deern hat da arge Zweifel, aber dem gehen wir nicht weiter nach.

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Eider bei Tönning im Schnee, © 2010 Jürgen KullmannWieder daheim ruft Frau Marquard an: der neue Kaminofen wird morgen gegen zwei Uhr geliefert und aufgestellt. Damit ist nun alles geregelt, und wir machen einen Spaziergang zur Eider, auf die ‘Nase’, wo vor einem Dreiviertel Jahrhundert Wasserflugzeuge anlegten, aus dem Wasser geholt und gewartet wurden. Heute hätten sie dazu auf dem holprigen Eis keine Chance gehabt. Es beginnt bereits zu tauen, ein Knistern und Knacken dringt an unsere Ohren, und zur Flussmitte hin hat sich eine große Wasserlache gebildet. Wir lassen die Sonne über dem großen Strom untergehen und machen uns dann langsam auf den Heimweg. Heute Abend kommen Nachbarn zu Besuch.

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Mittwoch, 29. Dezember 2010

Alle Termine abgearbeitet, schrieb ich gestern? Pustekuchen bzw. Pustebacke, denn mein Mädchen kommt von Frau Tramm zurück, der Zahnärztin, die nur ein paar Häuser weiter an der Ecke zum Herrengraben residiert und ihr eine Wurzelbehandlung verpasst hat. Schon in den letzten Tagen zog es ihr dann und wann im Kiefer, wenn ein kalter Wind um die Backe wehte, doch heute nach dem Frühstück brauchte es dazu keinen kalten Wind mehr. Und jetzt marschieren wir erst einmal zur Apotheke am Markt.

Zwei Stunden später sitzen wir im Roten Hahn beim Lunch – Labskaus für mich und ein Steak för mien Deern, die arg vorsichtig darauf herumkaut. Ob er die beiden Mahlzeiten nicht besser hätte anders herum servieren sollen, meint schmunzelnd der neue Wirt, denn bei den alten Seefahrern …

Doch mein Mädchen schlägt sich tapfer und besiegt das Steak, so dass wir wieder daheim sind, als Vater und Sohn Marquard mit dem neuen Ofen anrücken. Der Senior ist eindeutig der Chef, ein gestandener Kachelofenbauer, auch wenn er heute nur einen Kaminofen installiert. Aber nicht einfach nur “altes Ofenrohr raus und neues rein”, hier wird solide Arbeit geleistet! Ohne Aufpreis wird die alte Muffe – “Locker und taugt nichts”, so sein Kommentar – aus dem Kamin gezogen und eine neue, er zeigt uns den Unterschied, fest eingemauert, nachdem Sohnemann draußen den Mörtel hatte anrühren dürfen. Dann wird das alte Gerümpel eingeladen und wir trinken zusammen einen Kaffee. Und wie machen wir’s mit der Bezahlung für den Ofen? Die Rechnung werde er uns Anfang des Jahres nach Dortmund schicken, sagt er, der Einbau gehöre zum Service.

Am Abend feiern wir ein ‘Ofenfest’ und weihen die Neuerwerbung ein.

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Donnerstag, 30. Dezember 2010

Nachdem uns ein Installateur aus der erweiterten Nachbarschaft am Vormittag das untere Badzimmer wieder zusammengebaut hat – die Januargäste können kommen! – fahren wir nach Friedrichstadt.

Von der Schwierigkeit, einen Mantel zu kaufen: Eigentlich wollte mien Deern an Frau Pölkows Modelädchen ‘nur mal so vorbeigehen’, doch was will man machen, wenn es das Schicksal will, das just in diesem Moment Frau Pölkow selbst auf ihren Laden zusteuert. Nicht mit reinzugehen und die angebotene Tasse Kaffee abzulehnen, wäre ja “so etwas von unhöflich” … !

Gut eine Stunde später lunchen wir beim Italiener an der Ecke und beratschlagen: Kaufen oder nicht kaufen, das ist die Frage. Eigentlich braucht man weder einen neuen noch einen weiteren Mantel – doch der, den Frau Pölkow vor einer Stunde aus den Tiefen ihres Ladens hervorgezaubert hatte, ist ja soooo etwas Besonderes. Ein halbes Dutzend Mal hatte man ihn an- und wieder ausgezogen – dabei ab dem fünften Mal auch die Technik des Riesenkragens verstanden, der sich, ‘wenn de Storm vun Nordwest geiht’, auch über den Kopf schlagen lässt. So ist man ihrem weisen Ratschlag Folge leistend erst einmal essen gegangen und sitzt nun hier, ein weiser Ratschlag in der Tat, denn hätte sie zum Kauf gedrängt, wäre es ihrer Kundin leicht gefallen, nein zu sagen.

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Feuervögel, © 2011 Jürgen KullmannDer ‘Trick’ hat gewirkt; anderthalb Stunden später sitzen wir wieder im Modestübchen und der Mantel wird eingepackt. Auf dem Rückweg zum Auto schließen sich uns aus einem Souvenirladen noch zwei an diesem frostigen Tag wärmebedürftige Vögel an. Sie seien zwei Feuervögel, erklären sie, und suchen noch einen Platz an einem warmen Kaminofen, wo sie sich auch dekorativ wunderbar machen würden. Na dann …

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Freitag, 31. Dezember 2010

Es beginnt zu tauen, womit es nun endlich gelingt, das Vordach über der Klöntür von seiner Eislast zu befreien. So wie die schwere Eisplatte jetzt im Garten liegt, hätte sie einen erschlagen können. Dann geht es zum letzten Einkauf des Jahres in den Sky Markt, Kaminholz nicht vergessen! Auf dem Rückweg fotografiere ich die Jule Marie im vereisten Tönninger Hafen.

Jule Marie im vereisten Tönninger Hafen, © 2010 Juergen Kullmann

Der Nachmittag bricht an. Unsere neuen Nachbarn, die vor zwei Jahren das Haus nebenan erworben und im Erdgeschoss eine Werkstatt für Schmuck aus selbstgemachten Glasperlen eingerichtet hatten, kommen zu Besuch. Den Kuchen hatten wir schon gestern gebacken, nach einem Rezept der Eiderstedter Landfrauen, dessen Ergebnis im Herbst sogar Lotta gemundet hatte*. Und das will schon etwas heißen.

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Zum Sylvesterdinner gibt es Lachs an Rosmarin-Kartoffeln. Lecker! Das Sylvester-TV-Programm kann da vom Niveau her nicht mithalten: ödes ‘Neues aus der Anstalt’ und nervige Shows. Wir schalten ab, legen ‘Lang lebe Ned Devine’ in den DVD-Spieler und verabschieden das Jahr 2010 mit dem Parting Glas, zu dem am Ende des Films die Dorfgemeinschaft von einem Hügel aus den neuen Tag begrüßt. Zuvor klingelten zweimal die Rummelpotter an unsere Tür, zunächst etwas schüchterne Kinder und später eine laute, nicht mehr ganz nüchterne Erwachsenen-Gang. Nach Mitternacht erzählt uns draußen auf der Straße der Schwiegervater einer Nachbarin von den Rummelpottern in der ‘guten alten Zeit’, von Gartentoren, die ihre Besitzer im Torfhafen wiederfanden, wenn sie nicht genug Geistiges für sie herausgerückt hatten, und andere noch viel fiesere Stories. Da haben wir ja noch Glück gehabt!

* Siehe 19.10.2010

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Sonnabend, 1. Januar 2011

Der Erfinder der nordfriesischen Kartoffelkanone* aus der Süderstraße war zu diesem Jahreswechsel nicht daheim – ergo kommen wir mit klarem Kopf in das Jahr 2011, so klar wie dieser erste Tag des Jahres.

Eidermündung, © 2011 Juergen Kullmann

Über Nacht hat Tauwetter eingesetzt, und manche Straßen sind sehr glatt. Wir parken das Auto beim Aussichtsturm im Katinger Watt und gehen Richtung Eidersperrwerk. Einige Stellen auf dem Deich sind arg rutschig, derweil das Eis in Ufernähe dann und wann knistert. Die Fahrrinne weiter hinten ist schon eisfrei. An der Brücke über den Siel kehren wir um und wandern, die Sonne nun im Gesicht, auf unseren im Schnee schmelzenden Spuren zurück. Zum Dinner wird der Rest des Sauerbratens vom Weihnachtsmahl aus dem Gefrierschrank geholt.

*  *  *

Das war er nun, unser Weihnachtsurlaub und Jahreswechsel in Tönning. Der Abend klingt aus vor dem Kaminofen.

* Siehe 31.01.2008

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Unser Leben in ‘Uns Huus’: Jahreswechsel 2010/2011
Letzte Bearbeitung 31.01.2017