Jahreswechsel 2015 / 16 Februar 2016 April / Mai 2016 Juli / August 2016 Sept. / Okt. 2016 Übersicht |
ND ES BEGAB SICH IM FÜNFZEHNTEN JAHR nach Beginn eines neuen Jahrtausend, als da im fernen Berlin regierte die Kaiserin Angela, dass hoch im Norden des Reiches jenseits der Eider in einem Haus zu Tönning ein Nis Puk waltete. Und als der Sturm ums Haus heulte und der Regen aufs Dach prasselte und die Menschen in der Kirche im Weihnachtsgottesdienst weilten, versammelte Nis Puk das Kleine Volk *, deren Mitglieder von Fern und Nah als einsame Wanderer oder Gruppenreisende zu ihm ins Haus gezogen waren, um die Krippe am Kamin, um dem Kind in der Krippe die Ehrerbietung zu erweisen, als da Erik der Weihnachtsengel vom obersten Tannen-
* Anmerkung für Unkundige: Die Mitglieder des kleinen Volkes, von Fremden nicht selten mit Stofftieren u.ä. verwechselt, können hier nicht alle vorgestellt werden. Der geneigte Leser wird ihnen in früheren Tagebüchern bereits begegnet sein, einigen, darunter auch der Weihnachtsengel Erik, zum Beispiel am Jahreswechsel 2008/09.
“Was sollen wir damit”, fragten sie im Chor. “Seid mal nicht bannig”, sprach Erik den Satz, an dem er ein ganzes Jahr geübt hatte. “Das ist zwar sehr philosophisch, klug und weise”, sagte Nis Puk, hilft uns aber auch nicht viel weiter. “Man könnte darin meine Whiskeyrezepte festhalten”, schlug Maureen vor, die vor vielen Jahren als wildes Zottelschaf von den Schwarzbrennern Connemaras zum Kleinen Volk gestoßen war. “Oder von meinen Abenteuern in Irland, meinen Levada-
“Bei diesen persönlichen Eitelkeiten kommen wir so nicht weiter”, meinte Nis Puk, “wir brauchen neutralen Rat. Mein Freund Tomte Tummetott, der alte Schwede, ist gerade zu Besuch und soll entscheiden. Und also sprach Tomte, und die Weisheit eines vielhundertjährigen Lebens lag in seinen Worten, die da lauteten:
“Viel habe ich von Uns Huus, Nis Puk und seinen Mitbewohnern gehört, in Berichten, Erzählungen, Tagebüchern und zuletzt in dem, was die Menschen Internet zu nennen pflegen, doch sind sie von Menschenhand verfasst und nicht von jemandem aus eurem Kreis. Nehmt dieses Buch und verfasst für das kommende Jahr eine Chronik von Uns Huus, beginnend mit dem heutigen Tag. Nicht von jedem Tag, versteht sich, denn die Welt muss nicht alles über das Kleine Volk erfahren.
“Und Paddy-
ch bin ganz aufgeregt, wo ich nun das Logbuch für Uns Huus schreiben soll. Als ich noch zur See fuhr, hatte ich eine Zeitlang für den Käpt’n das Logbuch geführt, doch da hatte ich auch noch meinen rechten Arm, der mir dann abhanden kam, als der Klipper vor Irland Schiffbruch erlitt und ich auf einen Felsen am Strand gespült wurde. Henrietta aber meint, als alter Seebär schaffe ich das mit dem Logbuch schreiben doch mit Links. Henrietta ist das Klabautermädchen von der Jule Marie im Hafen, hier rechts ein Bild von dem Krabbenkutter. Sie kommt oft zu Besuch und übernachtet bei Nis Puk. Ich glaube, die beiden mögen sich.
Gerade kam Tomte Tummetott rein, der vorgeschlagen hatte, dass ich das Logbuch von Uns Huus führen soll. Er schaute aufs Papier und sagte, ich mache das ganz toll, doch was Nis Puk und Henrietta betrifft, müsse ich ein bisschen aufpassen und diskret bleiben. Wir seien hier nicht bei Facebook.
Ich weiß nicht, was ‘Facebook’ ist, doch Tomte Tummetott weiß das bestimmt, denn er ist sehr weise. Er ist noch hundert Jahre älter als Nis Puk. Im letzten Sommer hörte ich zum ersten Mal von ihm. Da lag ein Brief an Nis Puk im Postkasten, den er aus Schweden geschrieben hatte. Im November reiste er dann selbst an, wobei ihm trotz seiner Weisheit ein Missgeschick passierte: Er ging nämlich nicht bei uns vor Anker, sondern bei Boye Hamkens am Markt, wo er im Schaufenster Unterschlupf fand. Zum Glück entdeckten ihn dort die beiden Menschen, die sich hier um Uns Huus kümmern, und nachdem sie für seine Unterkunft gezahlt hatten, kam er ins Huus, um Nis Puk den lange erwarteten Besuch abzustatten. Eine Stippvisite bei seinem Verwandten, sagte er, denn gegen Ende des Jahrhunderts müsse er wieder zurück nach Schweden.
Der Herbst war stürmisch, und im November wurde unten eine neue Küche eingebaut. Nis Puk fand die Bauarbeiten etwas nervig, doch jetzt ist bannig stolz auf sie. Letzte Woche standen noch ein paar Restarbeiten an, aber daraus wurde nichts. In aller Pukkenfrühe rief der Küchenbauer an und sagte, dass sein Knie kaputt gegangen ist und er nicht arbeiten kann. Unsere beiden Hausmenschen waren zunächst etwas sauer, haben sich dann aber gefangen und die Küche weiter aufgehübscht, die grellen Lampen unter den Hängeschränken durch wärmere ersetzt und die alten Holzdielen auf dem Boden ausgebessert und geölt. Poliert haben wir sie dann, als sie unterwegs zu einem Bauernmarkt waren. Da sind alle Pukken aus der Nachbarschaft gekommen, und wir haben uns Wollpuschen angezogen und sind hin und her geschliddert, bis alles glänzte. Das hat einen Heidenspaß gemacht. Als unsere Hausmenschen aus Heide zurückkamen, sagte die Deern: “Schau mal, wie schön der Boden nach dem Trocknen glänzt, so ganz von selbst.” Wenn die wüssten!
Tomte Tummetott gab mir den Tipp, hin und wieder etwas über unsere Hausmenschen ins Logbuch zu schreiben. Vorgestern waren sie in St. Peter-Ording. Bis an die Brandung sind sie nicht gekommen, sondern bei Gosch hängengeblieben. Der Deern gelüstete es nach einem Eierpunsch, wie sie ihn ein paar Tage zuvor beim Lütten Weihnachtsmarkt neben der Kirche gekostet und für gut befunden hatte. Eierpunsch gab es bei Gosch nicht, dafür aber ‘Schneehasen’, die aus Eierlikör, heißer Milch und Rum gemacht wurden. Die haben ihnen auch geschmeckt.
Überhaupt haben unsere Hausmenschen in den letzten Tagen viel gearbeitet, das muss man ihnen lassen, den Garten in Ordnung gebracht und den Apfelbaum und die Rosen beschnitten. Gestern haben sie sich ausgeruht, unsere Krippe im Wohnzimmer aufgebaut und sind dann in die Kirche gegangen, wo Menschenkinder ein Krippenspiel aufgeführt haben.
Nis Puk kommt gerade rein. Genug geschrieben für heute, sagt er, Maureen habe im Appartement eine Flasche Single Malt Whiskey entdeckt. Den hätten unsere Hausmenschen wohl hingestellt, damit sie mit dem Kleinen Volk ein Whiskey Tasting macht. Da darf man sie nicht enttäuschen.
gez. Paddy-the-Sailor
eute regnete es den ganzen Tag lang, und unsere Menschen sind ein bisschen verschnupft. Im Huus haben sie alles gecheckt und in Ordnung gebracht und die Kopfkissen und Betten für die Sommerfrischler der neuen Saison gewaschen. Die nächsten Frischler kommen schon in einer Woche. Das sind dann aber Winterfrischler, meint der kleine Paul mit seiner roten Mütze, der in unseren Krippenspiel vor den Tönninger Pukken immer den Piraten spielt, der dem Kind in der Krippe mit seinem Seeräuberschiff Gold, Weihrauch und Myrrhe bringt.
Paul sollte eigentlich zu einem Menschenkind ziehen, das gerade Geburtstag hatte, doch irgendwie wurde daraus nichts und er landete hier beim Kleinen Volk. Wie schon einige andere von uns. Mit den Jahren wurden seine Augen rot. Wir vermuten, dass er ein Feenkind ist, bei denen ist das wohl so.
Am Nachmittag waren unsere Huuslüüd in der Kirche, wo die Pastorin und der Pastor den Menschen Weihnachtsgeschichten erzählten. Der Pastor ist ein bekannter Plattschnacker, der schon im Fernsehen war und vor vielen Jahren eine plattdeutsche Talkshow hatte. Im letzten Jahr schienen seine Geschichten unseren Huuslüüd besser gefallen zu haben – tiefsinniger und amüsanter seien sie gewesen, meinte die Deern. Eine echt kluge und witzige Geschichte sei aber auch heute dabei gewesen, sagte uns später der Kirchturmpuk, doch da er sie auf Plattdeutsch erzählte, hätten unsere Huuslüüd die Pointe wohl nicht verstanden. Und das könne man seinem Pastor nun wirklich nicht vorwerfen.
Zwischen den Geschichten machten ein Mann und eine Frau Musik, er auf dem Klavier und sie auf der Fiddle, ‘Aldagios’* und ‘Allegros’ nannten sie es. Ich weiß nicht, was Aldagios und Allegros sind, es klang aber gut. Es hängt wohl mit mit der Stellung des Notenständers zusammen, denn vor jedem neuen Stück hat die Frau mit der Fiddle den Notenständer um zehn Zentimeter verschoben, erst nach rechts, dann nach links, dann wieder nach rechts zurück und so weiter. Vielleicht sind Aldagios Notenständer-
Zum Abschuss wurde das Lieblings-
Över’t Feld an’n hogen Heben
Singt de Engel Gott to Ehr.
Schäper waakt bi jüm ehr Schapen
Un en Lücht kümmt to jüm her.
Un de Engel röppt jüm to
Gode Nahricht bring ik jo.
Und das waren dann für heute meine guten Nachrichten!
gez. Paddy-the-Sailor
* Es mag sein, dass diese Schreibweise nicht die übliche ist, aber Paddy-
as ich gestern aufzuschreiben vergaß: Unsere Huuslüüd hatten Besuch von Nachbarn aus der Süderstraße, ganz in der Nähe vom Haus mit dem Dachrinnenpuk. Natürlich wohnt der Dachrinnenpuk nicht in der Dachrinne, sondern sitzt nur dort, wenn er auf das Haus aufpasst – oder einfach neugierig ist, was sich auf der Straße tut. Er sei manchmal etwas fahrlässig, meint Nis Puk, und würde vergessen sich unsichtbar zu machen, wenn ein Mensch mit einer Fotokamera vorbeikommt. So entstand dann das Bild, das jetzt in einem ‘Küstenforum’ kursiert. Doch vielleicht ist der Dachrinnenpuk auch eitel und will, dass die Menschen ihn fotografieren.
Die Besucher aus der Süderstraße waren Claas un sien Fru. Claas wurde in Holland geboren. Dort leben auf den Dachböden die Kaas-
Auch heute hat es wieder viel geregnet, und die beiden Menschen im Huus sind immer noch verschnupft. Jetzt ist es dunkel draußen, und sie sind zur Stadthalle gegangen, wo die Tönner Speeldeel auftritt. Krüüzfohrt in Schwienestall heißt das plattdeutsch Stück, und heute Abend ist die Premiere.
gez. Paddy-the-Sailor
ns twee Huuslüüd waren heute in Husum und haben einen Pürierstab für die Küche gekauft. Keinen Billigkram, der durchbrennt, wenn man ihn länger als zwei Minuten laufen lässt, sondern etwas Solides. Gerätschaften, die nach ein paar Minuten durchbrennen, könne er unter seinem Dach nicht dulden, hatte Nis Puk gesagt, sonst würde sein Haus am Ende noch Feuer fangen. Eileen Óg, die sich um die Kommunikation mit den Menschen kümmert, hatte ihnen das ausgerichtet.
Anschließend hatten sie dem Weihnachtspuk im Husumer Weihnachtshaus einen Besuch abgestattet. Der wohnt am Westerende in einem Haus aus der Gründerzeit, vollgepackt mit Weihnachtssachen der letzten zweihundert Jahre. Drei Etagen hat das Haus, und auf jeder gibt es etwas zu sehen. Der Weihnachtspuk wohnt in der obersten bei den Teddybären und Puppen. Im Erdgeschoss ist ein kleiner historischer Laden aus dem Jahr 1890. Als unsere Huuslüüd mit einem Buch in der Hand auf die Straße traten, ging die Leuchte des Nordens gerade rein. Der gehört das Weihnachtshaus. ‘Leuchte des Nordens’ wird sie genannt, weil sie vor drei Jahren Siegerin bei einem Quiz im Fernsehen war. Alix Paulsen heißt sie mit richtigem Namen. Ihr Mann ist der Chef vom Husum Verlag, und der war auch schon mal eine solche Leuchte.
* * *
Es ist Abend geworden, und im Kaminofen prasselt ein Feuer. Die Deern strickt. Gerade hat ihr Leefster aus dem neuen Buch vorgelesen, wie ein Nis Puk vor mehr als hundert Jahren das Weihnachtsfest auf der Hallig Langeneß gerettet hat. Das wollten wir nicht uns nicht entgehen lassen, und so hatten wir uns hinter dem Vorhang versteckt und zugehört.
In der Geschichte bedrohen in der Adventszeit des Jahres 1900 Sturmfluten die Hallig Langeneß, und die Warften sind durch die tosende Nordsee vom Festland abgeschnitten. Dann beginnt es auch noch zu frieren. Die auf Sylt lebende Großmutter der Halligkinder macht sich Sorgen: Kann der Herr Ruprecht unter diesen Umständen ihren Enkeln in der Sylvesternacht die Geschenke bringen? In ihrer Not wendet sie sich an Nis Puk, der seit mehr als 300 Jahren die wichtige Aufgabe hat, auf dem Sylter Bauernhof nach dem Rechten zu sehen, eine Aufgabe, die ihn ganz und gar in Anspruch nimmt. Eigentlich hat er Besseres zu tun, zum Beispiel zu heiraten und Grütze zu essen, doch dann besinnt er sich und macht sich mit dem Ganter Martin daran, auf seine eigene Art das Weihnachtsfest auf Langeneß zu retten. Martins Aufgabe war es eigentlich, von der Sylter Bauernfamilie zum Fest verspeist zu werden. Das passt ihm aber überhaupt nicht in den Kram, und so übernimmt er statt dessen von Nis Puk die Aufgabe, einen Brief von der Großmutter per Luftpost nach Langeneß zu expedieren, was ihm nach erheblichen Startschwierigkeiten ob seines Übergewichts nach mehreren Anläufen gelingt …
Zwischendurch finden sich in der Geschichte immer wieder kleine spitze Bemerkungen bezüglich des preußischen Beamtentums und der Rolle von Frauen vor hundert Jahren. Manches davon, meint die Deern, habe sich bis heute nicht geändert. Doch das muss ich jetzt nicht alles nacherzählen, denn das Buch steht ja in unserer Bibliothek. Die beste Weihnachtsgeschichte der Welt, sagt Nis Puk.
gez. Paddy-the-Sailor
wei neue Menschen-
Maureen aber weiß, was in einem solchen Fall zu tun ist. Man müsse nur einen Whiskey auf das Wohl der betreffenden Person trinken und danach stets welchen vorrätig halten, sagt sie. Dann würde der Geist der Person immer mal wieder vorbeikommen und man könne mit ihm schnacken. So wie mit Boo! Boo! ist ein Gespenst und wohnt bei der Tochter von dem Piraten. Momentan ist die Lütte ziemlich zickig, hat der Pirat erzählt. Auch Schaf-
Also haben wir zum Jahreswechsel vier Menschen im Haus. Heute Abend haben sie eine Cataplana zubereitet. Das ist ein Eintopf mit Muscheln und Schweinefleisch, der eigentlich in einem Kupfer-
Weißer Wein
Eierlikör
Orangensaft
Rum
Sahne
Die ersten vier Sachen werden zusammen heiß gemacht, kommen in Gläser und darauf dann eine dicke Sahnehaube. Henrietta, Nis Puks Klabautermädchen, hatte das Rezept den Menschen untergejubelt, damit sie den Punsch kochen. Ob sie gemerkt haben, dass wir anschließend die Hälfte davon abgezweigt haben? Das fanden wir alle sehr lustig!
Am Abend hatten wir uns hinter dem Fenstervorhang versteckt, um ihren Geschichten zu lauschen. Den Geschichten anderer zuzuhören, bildet, sagt Nis Puk, und Bildung kann man nie genug haben. Doch heute Abend war das ein kompletter Reinfall! Zwei Stunden lang haben sie über Krankheiten und Pillen geredet. Dass Menschen an Krankheiten und Pillen so viel Spaß haben, kann keiner von uns verstehen.
“So sind sie nun mal”, warf Eileen Óg ein, die öfter Umgang mit Menschen hat, “und Krankheiten und Pillen sind für die meisten das schönste Gesprächsthema. Vielleicht sollten wir lieber nach oben gehen, mir fallen da gerade noch ein paar Abenteuer von meinen Wanderungen im Frühjahr auf den Klippen von Dover ein.” “Das kleinere Übel”, flüsterte Henrietta Nis Puk zu, und er gab seine Zustimmung.
gez. Paddy-the-Sailor
eute in der Früh kam der Mann aus Hattstedt, der uns im November die neue Küche eingebaut hatte. Es fehlte noch eine Abdeckplatte auf den oberen Schränken, damit, wenn man die Treppe runterkommt, auch von oben alles schön aussieht. Die hatte er mitgebracht, doch als er noch etwas anpassen wollte, stellte er fest, dass er das Kabel für seine Säge vergessen hatte.
Nis Puk meint, bei jemandem, der schon mal vergessen hatte genug Benzin in seinen Tank zu tun und auf halber Strecke zwischen Husum und Tönning liegengeblieben war, müsse man mit dergleichen rechnen. Ansonsten mache der Mann seine Arbeit aber gut, habe ihm ein Puk aus Nordstrand erzählt, bei dem er auch eine Küche eingebaut hatte. Menschen seien nun einmal nicht perfekt, das habe er von Geburt an immer wieder feststellen müssen.
Das ist jetzt dreihundert Jahre her. Damals wohnten seine Eltern unter dem Dach vom Tönninger Schloss. So soll es früher einmal ausgesehen haben:
Als das Schloss ein paar Jahre später abgerissen wurde, mussten sie sich mit dem kleinen, erst zwanzig Jahre alten Nis eine andere Unterkunft suchen. Ich weiß nicht, wo sie am Ende landeten. Als er dann vor mehr als hundert Jahren bei seinen Eltern auszog und sich ein eigenes Dach suchte, wurde gerade Uns Huus gebaut. Er nutzte die Chance und zog ein.
Seither habe er ‘solche und solche’ Menschen erlebt, sagt Nis Puk. Der Bauherr und erste Hausbesitzer war ein Lotse gewesen, der zweite Kapitän von einem Tonnenleger und der dritte ein Matrose. Danach kamen noch ein paar andere, und mit den beiden, die sich jetzt um Uns Huus kümmern, ist er sehr zufrieden. Die hätten ‘ein kleines Schloss’ aus seinem Haus gemacht, habe Henrietta gesagt, nachdem sie auf der Pukken-
Nis Puk kam gerade rein. Das Logbuch-
Während der Küchenbau-
Als der Küchenbauer wieder da war, wurde die Platte auf den Schränken festgemacht. Dann kamen die zwei Menschen, die für ein paar Tage bei unseren Huuslüüd zu Besuch sind, von einem Ausflug zurück, und sie haben die Brisenbeutel zu Fünft aufgegessen. Bis auf die, die wir für das Kleine Volk abgezweigt hatten.
gez. Paddy-the-Sailor
ie Menschen in uns Huus scheinen nicht so recht zu wissen, was sie eigentlich wollen. Draußen sah es nach Regen aus. Bei Regen, meinten die Deerns, sei es besser nach Husum zu fahren als zum Leuchtturm von Westerheversand, was die Mannslüüd vorgeschlagen hatten. Am Ende setzten sich die Frunslüüd durch, wie es bei den Menschen meist der Fall ist. “Wollen wahrscheinlich shoppen”, meinte Eileen Óg, die öfter mit Menschen unterwegs ist, doch außer einer Tüte Tee brachten sie von ihrem Ausflug nichts mit. Ansonsten weiß ich auch nicht, was sie in der grauen Stadt am grauen Meer gemacht haben.
gez. Paddy-the-Sailor
Zeitweilige Unterbrechung der Aufzeichnungen von
Paddy-the-Sailer mit sachdienlichen Informa-
tionen zu dem, was Paddy-the-Sailer
nicht mitbekam, ergänzt
von jemandem, der
dabei war
Viel eingekauft haben wir in der Tat nicht; neben dem erwähnten Tee eine Etagere, die jetzt unten in der Küche auf der Fensterbank steht. Bei trübem Wetter wanderten wir die Neustadt genannte Straße hoch, während ein Laden nach dem anderen schloss, um erst im kommenden Jahr wieder zu öffnen. Auch die Schuhläden. Was tun?
“Eine kleine Stärkung vor der Rückfahrt nach Tönning wäre nicht schlecht”, meinen die Frunslüüd, und wir gehen im Fischhaus Loof an der Nahtstelle zwischen Binnen- und Außenhafen vor Anker. Wir schieben uns im Gedränge zwischen den Tischen durch. Glück gehabt, da wird gerade einer frei! Wir kapern ihn und einigen uns auf viermal ‘Fischsuppe Spezial’, die unseren Tischnachbarn sichtlich schmeckt. Mien Deern, die sich zur Theke durchgekämpft und die Bestellung aufgegeben hatte, arbeitet sich durch das Getümmel zurück, als hinter ihr unser Küchenbauer und seine Lebensgefährtin auftauchen. Eine nette Deern; sie scheint gar nicht so böse auf uns zu sein, wo wir doch ihren Leefsten zwischen den Festtagen nach Tönning gezerrt hatten.
Während wir noch mit der Fischsuppe beschäftigt sind, schiebt sich eine Angestellte des Hauses mit einem Kescher in der Hand und einem Kunden im Gefolge zu einem neben uns stehenden Bassin durch. “Welchen hätten Sie denn gerne … den? … oder den? … oder den?” Ob die Karpfen verstehen, was das zu bedeuten hat? Schrecklich, ich mag gar nicht daran denken. Der Kescher taucht ins Wasser, ein wildes Spritzen und Geplansche, und ein verzweifelt zappelnder, mit der Schwanzflosse schlagender Karpfen wandert aus dem Becken in einen Eimer. “Wollen Sie selbst schlachten?” fragt die Fischhändlerin den Kunden und begibt sich mit dem im Eimer klatschenden Fisch hinter die Theke. Dessen Antwort hört man nicht, nur zwei kräftige Schläge – Karpfen wird für alle Zeiten vom Speiseplan gestrichen.
Ende des
Einschubs und
Fortsetzung des Logbuchs,
verfasst von Paddy-the-Sailor
* * * Fortsetzung folgt * * *