erbst 2008. Viel ist geschehen in den letzten zwei Jahren. Nun sitzen wir in ‘uns Huus’ in Tönning, die Geburtstagsparty und das große Huus-
... Haben wir unerfüllbare Träume? Wir sitzen im Garten der kleinen Villa und ziehen das Resümee der letzten Tage, ehe es morgen wieder nach Dortmund geht. Seit zwei Jahren sind wir konkret auf Haussuche und seit mindestens fünf studieren wir Immobilienanzeigen. Werden wir ‘uns Huus in Tönning’ je finden?
So endete unser friesisches Reisetagebuch vom Herbst 2006. Es sollte für einige Zeit das letzte bleiben, denn eine zufällige Begegnung in jenem Nachsommer hatte ungeahnte Folgen. Nach einem netten, aber erfolglosen Treffen mit einem Makler finden sich in den Aufzeichnungen vom 27. September die folgenden Zeilen:
... Wir brechen auf, schlendern durch den Herrengraben und die Deichstraße in Richtung Hafen. “Moin, wieder im Lande?” Es ist die Vermieterin einer Ferienwohnung, in der wir seit fast zehn Jahren Stammgäste sind. “Mist”, denke ich, “jetzt glaubt sie, ihre Wohnung ist uns nicht mehr gut genug!” Also verraten wir, dass wir ihr nur deshalb untreu geworden sind, weil wir gerade ein Haus ‘zur Probe bewohnen’, eines, das uns als Kaufobjekt interessiert hatte, auch wenn es nun doch nicht in Frage kommt.
“Ach wirklich?” sie schaut uns neugierig an. Ob sie sich mal umhören und Bescheid geben solle, wenn sie von einem zu verkaufenden Haus erfahre? “Klar doch!” zeigen wir uns begeistert und versuchen zu erklären, wonach wir suchen.
Ein paar Tage später waren wir wieder in Dortmund, der Alltag holte uns ein und die Begegnung ward vergessen. Bis dann an einem Sonntagvormittag das Telefon läutete.
s brutzelt auf dem Herd, da klingelt das Telefon. Frau W. aus Tönning: Ob wir uns erinnern würden, wir hätten ihr vor gar nicht langer Zeit erzählt, dass wir ein Haus in Tönning suchen. Nicht weit von ihrer Wohnung stehe in der Deichstraße eines zum Verkauf! Vor etwa zehn Jahren sei es grundrenoviert worden; ganz solide, meine ihr Mann, der sich die Sache damals angeschaut hätte. Ein rotes Backsteinhaus mit einem kleinen, sonnigen Garten.
Sie gibt uns die Telefonnummer aus der Anzeige in den Husumer Nachrichten. Am Abend ruft mien Deern bei der Hausbesitzerin an und macht einen Besichtigungstermin für den 18. November aus. Vorab sollen wir noch ein paar Fotos bekommen.
Brief an Frau H.
iebe Frau H. — Ganz herzlichen Dank für die schönen Bilder von Ihrem Haus. So ‘kläglich’, wie sie gesagt haben, ist Ihre Restausbeute an Fotos doch gar nicht! Jetzt freuen wir uns noch mehr auf die Besichtigung am 18. November und haben uns für zwei Nächte gleich um die Ecke im Herrengraben einquartiert. […]
Bis dahin alles Gute – wir sind schon ganz gespannt auf das Haus!
Mit freundlichen Grüßen ...”
ir sind vom Besichtigungstermin zurück, sitzen in der Ferienwohnung unserer netten Informantin, bei der wir uns über das Wochenende eingemietet haben, und sind innerlich aufgewühlt. Wir haben “so gut wie zugesagt”.
Oft sind wir in den vergangenen Jahren an dem etwa 120 Jahre alten Backsteinhaus an der Ecke Deichstraße/
... als wir den Jahreswechsel nebenan im ‘Kuschelcottage’ verbrachten. Ich krame gerade in meinem Vergessenheitsordner, Kästchen mit Erinnerungen öffnen sich. Genau, damals habe ich aus dem Giebelfenster geschaut und den kleinen Garten und die Rosen gesehen. Das muss im Sommer schön sein, hatte ich mir gedacht. Nur die Fenster, die waren so schrecklich braun. Das passt gar nicht zur Fassade, ging mir durch den Kopf. Doch ein paar Jahre später, das weiß ich auch noch, waren sie irgendwann einmal weiß. Das sieht jetzt richtig hübsch aus, ging mir da durch den Kopf.
Hübsch war es selbst an diesem grauen Novembermorgen – das Foto unten wurde zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen – und zeigt noch viel historisches Flair. Bis ins hohe Alter von einer alteingesessenen Tönningerin bewohnt, hat es die Renovierungswut der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unbeschadet überstanden, ehe es vor etwa zwölf Jahren von einem neuen Besitzer grundsaniert wurde, der es aus familiären Gründen schon bald weiterverkaufte. Die alten Backsteinfassaden mit den hohen Fenstern sind auf drei Seiten erhalten, nur die Wand zum Garten ist verputzt und sieht im Winter nicht besonders schön aus. Im Sommer versteckt sie sich unter wildem Wein, der seine Blätter jetzt abgeworfen hat.
Die derzeitige Besitzerin, eine gebildete Hamburger Dame, die nach dem Tod ihres Mannes nach St. Peter ziehen möchte, empfing uns an der Haustür und führte uns durch die Wohnung, die ein wenig an einen Antiquitätenladen erinnerte. Es fällt etwas schwer, sich die vollgestellten Zimmer, durch die wir uns schlängelten, leer vorzustellen. Und ein Klavier in der Küche, so etwas kannten wir bislang noch nicht.
Insgesamt sind es etwa 140 Quadratmeter Wohnfläche, inbegriffen ein gegebenenfalls separat zugängliches Appartement und drei Badezimmer. Das passt alles sehr gut, und wirklich große Umbauten sind nicht erforderlich. Der Zugang zum Spitzboden, zur Zeit nur via Ausziehtreppe durch eine Luke in einer der Schlafzimmerdecken erreichbar, müsste verlegt werden, doch da hat Frau H. schon eine Lösung parat, die sich noch ihr verstorbener Mann ausgedacht hatte und gar nicht so aufwändig ist: im Appartement im ersten Stockwerk des Vorderhauses befindet sich eine Empore in Höhe des Spitzbodens, von wo aus sich auf gleicher Ebene ein Zugang zum Dachboden schaffen lässt.
Durch die Hintertür, die eine echte Klöntür ist, tritt man in einen kleinen, verwilderten Garten in Südwestlage, darin ein Pavillon und ein schmaler Schapp für Fahrräder und ein paar Gartengeräte. Was braucht man mehr? 95 % des Traums sind erfüllt.
Brief an Frau H.
iebe Frau H. — ich hoffe, Sie sind meiner Frau und mir nicht böse ob unseres Zögerns. Ich darf Ihnen versichern, dass wir den Kauf des Hauses sehr ernsthaft in Erwägung ziehen und denke, dass wir uns innerhalb der nächsten zehn Tage im Klaren darüber sind. Auf jeden Falle, ehe wir im Dezember eine Woche Urlaub machen.
Die Sache ist die, dass wir ein Vierteljahrhundert lang Geld auf die Seite gelegt haben — und um sich nun an den Gedanken zu gewöhnen, dieses ‘auf einen Schlag auszugeben’, braucht es ein paar Tage. Doch bin ich im Grunde bereits jetzt davon überzeugt, dass es das richtige Haus ist.
Wir fänden es daher ganz toll, wenn Sie Ihr Angebot noch ein paar Tage aufrecht erhalten könnten, und uns, sollten Sie ein anderes bekommen, ehe Sie es annehmen informieren.
Mit freundlichen Grüßen ...”
ir haben uns entschieden, ich mich schon länger und mien Deern an diesem Wochenende. Sie ruft Frau H. an, plaudert mit ihr ein bisschen von Frau zu Frau — und bekommt noch einen Nachlass angeboten. So hat sich das Zögern am Ende auch noch ausgezahlt.
Brief an Frau H.
iebe Frau H. — Ganz herzlichen Dank für das Buch über Tönning, das Sie uns geschickt haben. [...] Hier für den Notar unsere Namen und Geburtsdaten, so wie sie in unseren Ausweisen stehen: [...]
Es würde uns freuen, wenn der Termin beim Notar auf einen Freitag oder Montag gelegt werden könnte. Wir würden ihn dann mit einem Wochenendausflug nach Tönning verbinden und kämen mit einem Urlaubstag aus.
Da es unser erster Hauskauf ist, wissen wir nicht, wie dergleichen abläuft. Bei der Übergabe sollte die auf dem Haus liegende Grundschuld ausgetragen werden, was wohl der Notar veranlassen muss. Vielleicht können Sie uns kurz seine Adresse und Telefonnummer mitteilen, so dass wir ihn kontaktieren können.
Doch jetzt wünschen wir Ihnen erst einmal alles Gute und viel Vorfreude auf Ihren künftigen Wohnsitz in St. Peter-
Mit freundlichen Grüßen ...”
Friesisches Tagebuch: Uns Huus in Tönning
© 2006-2011 Jürgen Kullmann – Letzte Bearbeitung: 21.03.2011